Am 13. April 2012 wurde Dr. Hazel Rosenstrauch, eine ehemalige Schülerin der Stubenbastei, von der Direktion zu einer Diskussion mit der 3B und den Schüler/innen, die das Wahlpflichtfach Centropa besuchen, eingeladen.
Die jüdische Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin, die 1945 geboren wurde, erzählte viel von ihrer Kindheit nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrem Leben. Ihre Eltern, die im Exil in England waren, kehrten nach Hazel Rosenstrauchs Geburt wieder nach Wien zurück. Sie beschlossen ihre Töchter in das Gymnasium Stubenbastei zu schicken, da die meisten Remigrant/innen unsere Schule für ihre Kinder wählten und es außerdem schon damals das einzige Gymnasium in Österreich war, das Russisch als Hauptfach anbot. Frau Rosenstrauch erzählte, dass sie die Schule als sehr liberal in Erinnerung hat.
Ihre Eltern mussten sie allerdings von der Stubenbastei nehmen, da sie aufgrund ihres „starken Charakters“ mit ihrem Klassenvorstand nicht zurechtkam. Ihre Schwester Helen Liesl Krag maturierte an unserer Schule und veröffentlichte 2005 das Buch „Unsere Schulklasse. Erwachsen werden nach dem Krieg“.
Für mich war das Gespräch sehr interessant, da ich viel dabei lernte. Es ist toll, dass ich im Wahlpflichtfach Centropa die Chance bekommen habe, an der Diskussion teilzunehmen.
Hannah Huber (2012)
Die SchülerInnen des Wahlpflichtfaches Centropa, Anabel Ceeh, Emilia Pühringer und Konstantin Raftl, wurden am 9. November 2012 in die jüdische Schule der Israelitischen Kultusgemeinde eingeladen, um der Pogromnacht 1938 zu gedenken.
SchülerInnen und LehrerInnen aus Wiener Schulen hatten in der jüdischen Zwi Perez Chajes Schule vor ein paar Jahren je einen Baum gepflanzt, der an die österreichischen Opfer des Holocaust erinnern soll.
Aus diesem Grund wurde die Stubenbastei erneut eingeladen. Wir wurden sehr freundlich von Schülerinnen des Hauses empfangen. Ein Mädchen führte uns durch das vor kurzem neu errichtete Schulhaus. Wir staunten nicht schlecht über das tolle und moderne Schulgelände.
Nachdem sich alle Jungen eine Kippa aufgesetzt hatten, gingen wir in die Schulsynagoge, wo das Gedenken an die Pogromnacht 1938 stattfand. Der jüdische Leiter des Gymnasiums, Rimon Zilberg, eröffnete den Gottesdienst mit einem hebräischen Gebet und sprach über die Verbrechen der Nazis in der Pogromnacht. Dr. Hans Hofer, der Direktor der Schule, knüpfte mit bewegenden Worten zum Thema Erinnerung daran an. Zum Abschluss erzählte eine Direktorin aus Oberösterreich, die zu Besuch war, eine wahre und sehr ergreifende Geschichte.
Nach der Feier, die uns für das Thema „Gedenken“ sensibilisieren sollte, tauschten wir uns mit den jüdischen SchülerInnen in einem Gespräch aus. Wir unterhielten uns mit Rina Shvartsman, die in Israel geboren wurde und später mit ihren russischen Eltern nach Wien kam.
Sie erzählte uns, dass es ihr Vater war, der beschlossen hatte nach Österreich zu übersiedeln, da er in Wien eine Arbeitsstelle angeboten bekommen hatte und außerdem die Ausbildungsmöglichkeiten für seine Kinder in Österreich besser fand als in Israel. Daraufhin verglichen wir die Zwi Perez Chajes Schule mit der Stubenbastei und stellten einige Unterschiede fest. Ansonsten sprachen wir über Russland und Gott und die Welt. Die Stimmung war sehr entspannt und es war nett, sich mit Rina zu unterhalten.
Der Besuch in der ZPC vermittelte uns eine wichtige Botschaft, nämlich dass man ohne Erinnerungen keine bessere Zukunft erreichen kann.
Konstantin Raftl (2012)
Im November 2012 traf ich Paul Back, der 1926 in Wien geboren wurde und im 20. Bezirk mit seiner Mutter und Großmutter in einer Einzimmerwohnung aufwuchs. Im Alter von 13 Jahren musste er 1939 nach Palästina emigrieren. Im Jahr 1975 kehrte er nach Wien zurück.1
Meine Familie stammt aus Zalozce, einem kleinen Ort in Galizien. Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, zog ich mit meiner Mutter zurück zu meiner Großmutter in den zwanzigsten Bezirk. Das Leben in Wien vor 38 war für mich eigentlich sehr spannend: Ich spielte mit meinem Cousin Fußball mit Fetzenlaberln, rannte zum Kriegsministerium am Stubenring, um die wöchentliche Wachablöse zu beobachten und lebte bis zum Einmarsch der Nazis 1938 ein glückliches Leben, obwohl es kein Leben aus dem Vollen war.
Plötzlich tauchten Wörter wie „Arier“ und „Jude“ auf, das war ein völlig neues Vokabular für uns. In dem Park, in dem ich immer Fußball spielte, durfte ich mich nicht mehr auf die Bänke setzen – das war schon empörend. Kurz nach dem Anschluss hatte man noch Hoffnungen, dass alles besser werden würde, aber als dann die neuen Gesetze kamen und die Judenhetze immer häufiger wurde, ging es eigentlich nur mehr darum, wie man am schnellsten wegkommt.
Da mein Vater sich in einer zionistischen Organisation engagierte, hatten wir 1939 die Chance, auf legalem Weg nach Palästina zu gehen und den immer schlimmer werdenden Lebensumständen in Wien zu entkommen. Der Weg nach Palästina an sich war hochinteressant, mir begegneten viele neue Gerüche und andere Dinge, die ich noch nicht kannte.
Dort angekommen war es aber sehr schwer sich zu integrieren, wir bekamen ein paar Tipps von Verwandten, die schon länger in Palästina lebten, aber das war es auch schon. Mein Vater begann bei der Polizei zu arbeiten. Ich hatte das Glück, eine Schule besuchen zu können, weil sie bei uns in der Nähe war. Anschließend machte ich eine Kfz – Mechaniker Lehre, leistete den Militärdienst ab, und aufgrund einer Verwundung bei einem militärischen Einsatz konnte ich nicht mehr in Kfz Werkstätten arbeiten und wurde Buchhändler.
Ich finde, dass in Israel eine sehr interessante Gesellschaft lebt, und es kann einem dort niemals langweilig werden. 1975 kehrte ich dennoch nach Wien zurück, weil ich keine Kriege mehr erleben wollte. Meine Überzeugung ist, dass man es nie zulassen darf, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft separiert, gedemütigt und benachteiligt werden.
Konstantin Raftl (2013)
1 Ich fasse im vorliegenden Text die Aussagen Paul Backs zusammen.
Wien, Café Prückel im November 2012
-Wie war das Leben vor 1938 in Wien für Sie?
Es war für mich, also durch meine Brille gesehen, eigentlich sehr spannend. Wir waren eine kleine, am Leben interessierte Familie. Ich bin im 3. Bezirk in der Hainburgerstraße aufgewachsen, wo ich auch die Schule begonnen habe. Bis zur Scheidung meiner Eltern, die sich 36 getrennt haben, ist unser Leben in geordneten Bahnen verlaufen. Wo wir gewohnt haben, gab es am ersten Mai Aufmärsche, Strandbäder an der Donau und es war ein gesellschaftliches Leben.
Mein leiblicher Vater war Bankbeamter, aber ich sah ihn nicht viel, da er sehr oft weg war. Das Leben zwischen ihm und meiner Mutter ging in die Brüche und so verlor ich ihn aus den Augen. Meine Mutter zog dann mit mir zu ihrer Mutter in den 20. Bezirk in eine kleine Wohnung, wo auch noch andere Geschwister lebten. Es war kein Leben aus dem Vollen, aber für mich war es sehr interessant. Viele Dinge waren neu für mich. Es war eigentlich, wie man in Wien manchmal sagt, „a Hetz“, manchmal weniger amüsant, aber im Großen und Ganzen für mich ein Abenteuer.
-Wie war das Leben für ihre Eltern?
Meine Mutter hatte, als sie noch mit meinem leiblichen Vater zusammen lebte, keinen Beruf, sie war Hausfrau. Aber nach der Trennung hatte sie eine kleine Parfümerie bis zum Einmarsch der Nazis, das war dann ein Einschnitt.
-Haben Sie in Ihrer Kindheit das Judentum gelebt?
Wir waren mit der Familie meiner Mutter sehr stark verbunden, meine Mutter hatte noch neun Geschwister in Wien. In der Wohnung meiner Großmutter, wo wir dann lebten, waren auch noch andere Geschwister – so wurde es niemals langweilig. Aber wie gesagt, das alles änderte sich mit dem Einmarsch der Nazis. Wir lebten nicht in dieser Wohnung, weil wir von den Nazis herausgeschmissen wurden, sondern weil sich meine Eltern getrennt hatten. (Der Umzug passierte vor dem Einmarsch der Nazis.)
Aber so nach und nach verschwanden viele Verwandte und Freunde aus dem Blickfeld. Wir waren nicht mehr so oft beieinander, und wer konnte, flüchtete. Aber das ist wieder ein anderes Kapitel.
-Um noch einmal auf die vorige Frage zurück zukommen, haben Sie das jüdische Leben gelebt?
Nein! Ich und meine engste Familie hatten kein Bedürfnis ein speziell jüdisches Leben zu führen, aber durch meine Verwandtschaft kam ich natürlich in Berührung mit Festen, Freunden und auch mit jüdischem Leben, aber ich selbst führte es nicht intensiv und dauernd.
-Können Sie sich an Gerüche aus ihrer Kindheit erinnern?
Ja, aber es wäre vermessen zu sagen, es an einem bestimmten Geruch festzumachen, das eigentlich nicht. Ja, natürlich, wenn die Mutter Schnitzerln ausgebacken hat, so etwas bleibt einem schon in Erinnerung. Aber sonst, keine bestimmten Gerüche.
-Haben Sie als Kind Musik gehört?
Ja, eigentlich sehr viel, meine Mutter war, wie soll ich sagen, Musik „verrückt“, aber vom Gängigen her. Operetten, Schlager, das sang sie oft und gerne, aber sie war nicht ausgebildet als Musikerin, aber als Liebhaberin kannte sie sich gut aus. Und so habe ich auch viel mitbekommen. Hier am Stubenring gab es das Kriegsministerium, wo es damals einmal in der Woche eine Wachablöse gab. Da ist die Wache mit klingendem Spiel hinmarschiert, also ich habe keine Ahnung, woher sie gekommen ist und dann gegangen ist. Es gab ja in Wien keine Fernseher und des war a Hetz. Ich rannte auch zu Fuß vom zwanzigsten Bezirk, wo ich mit meiner Großmutter wohnte, hierher zum Stubenring, um dieses Schauspiel zu genießen.
-Hörten Sie auch Radio?
Ja, ja, das war eigentlich das wichtigste Medium.
-Welche Themen wurden in Ihrer Familie diskutiert oder besprochen?
Also, ab 38, als die Juden verfolgt wurden, gab es eigentlich nur ein Thema: Wie kommt man am besten weg? Und was ist mit diesen und jenen passiert? Darüber wurde gesprochen und das hat die Leute schon sehr bewegt. Bis dahin kann ich nicht behaupten, dass irgendwelche Themen die Leute, die zu uns kamen, beschäftigt hätten. Wahrscheinlich ja, aber ich sah es eigentlich nur von meiner Warte aus und viele Sachen haben mich damals auch gar nicht interessiert. Wahrscheinlich gab es auch damals schon viele Diskussionen, wie es weitergehen soll und dergleichen, aber da war ich 11, 12 Jahre alt und das war nicht interessant für mich. Später habe ich mich dann eher für die Sachen interessiert.
-Was für eine Beziehung hatten Sie zu Ihrer Großmutter?
Warum fragen Sie nicht nach dem Großvater?
-Weil ich Ihre Biographie gelesen habe und in dieser immer nur Geschichten über Ihre Großmutter stehen.
Ah, ich verstehe, Sie sind vorbereitet! Die Großmutter war rückblickend eine starke Persönlichkeit und ich habe im Laufe der Jahre immer mehr Achtung vor ihr bekommen als anfangs, weil diese Frau kam ursprünglich aus Polen. Zusammen mit dem Großvater sind sie vor dem 1.Weltkrieg vor der Front geflüchtet. In der Hoffnung, weil Wien war ihre Hauptstadt und sie mieteten sich eine Wohnung im 20. Bezirk und sie kam in Wien schon mit einigen Kindern an und bekam dann noch einige. Von ihrem Fluchtpunkt in Südpolen, Galizien, bis sie in Wien angekommen waren, vergingen zirka eineinhalb Jahre. Anfang 1917 kamen sie an und der Großvater erkrankte ziemlich bald und starb. Das heißt, sie musste aus eigener Kraft heraus, mit Hilfe der größten Kinder, sich etablieren. In einer fremden Stadt, ohne Sprachkenntnisse, furchtbar. Und sie biss sich durch all die Jahre. Und ihr Ende war, dass sie nach Polen verschickt wurde. Zuerst wurde sie aus ihrer kleinen Wohnung herausgeschmissen und dann nach Polen verschickt, da waren wir aber schon nicht mehr in Wien. Diese Frau verdient meine höchste Hochachtung und wahrscheinlich von vielen anderen Menschen auch.
-Ich habe in Ihrer Biographie gelesen, dass Sie zu neunt in einer Einzimmerwohnung gelebt haben. Wie war das für Sie?
Wir hatten ein großes Zimmer im letzten Stock. Für mich war es keine besondere Sache im letzten Stock zu wohnen, aber für eine ältere Dame „Na, habe d’Ehre!“ Dieses Haus steht noch immer, ich bin da vor gar nicht so langer Zeit vorbeigegangen. Da gibt es jetzt auch eine Erinnerungsplakette. Im großen Zimmer habe ich mit meiner Mutter und der Großmutter in einem Doppelbett geschlafen, noch eine Schwester meiner Mutter hat in demselben Zimmer geschlafen und der Bruder meiner Mutter hat im Kabinett geschlafen. Abgesehen von allem war das Verhältnis gut, es gab wahrscheinlich kleinere Reibereien, aber irgendwie haben wir uns gut durchgewurschtelt.
-Vermissen Sie Ihre Kindheit in Wien vor 38?
Nein! Das ist Vergangenheit, an die es gut ist sich zu erinnern, an das Gute und das Schlechte, dass das nicht völlig aus dem Gedächtnis geworfen wird, aber vermissen, nein.
-Ab wann hat Ihre Familie eine Gefahr durch die Nazis gesehen?
Also, a bisserl war man ja schon vorgewarnt wegen Deutschland, vielleicht noch nicht so drastisch, aber man wusste ja schon einiges. Aber die meisten Menschen, wie es so üblich ist, meinten, es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht, auf jeden Fall sah man diese riesige Maschine, die da über Österreich hereinbrach und über die österreichischen Juden auf jeden Fall, aber man gab sich ja auch gewissen Hoffnungen im Leben hin: „Ja, das wird schon vorübergehen!“ Nachher ist es schon viel ärger geworden: neue Gesetze, Verhaftungen hier und dort und Anpöbelungen. Und da hat man natürlich Wege gesucht, um dem zu entkommen.
-Wurden Sie jemals persönlich angepöbelt?
Als Kind ist mir kein Fall bekannt, dass ich jemals angestänkert worden bin, wir haben uns viel außerhalb der Wohnung aufgehalten. Erstmals weil die Wohnung beengt war und weil in der Nähe der Verkehr nicht so arg war, konnten wir auf der Straße Fußball spielen mit Fetzenlaberln. Auf einer Seite unseres Hauses war gleich die Sicht zum Donaukanal. Da gab es auch einen Park, wo man sitzen und spielen konnte. Aber wir konnten nicht einmal diesen Park und diese Bänke benützen, das muss Mitte 38 gewesen sein. Da gab es dann schon Hinweise, dass dieser Park nicht für Juden erlaubt war. Da stand dann: „Nur für Arier!“, sogenannte „Arier“. Das war sehr empörend. An diese Worte musste man sich erst gewöhnen. „Arier“, „Juden“ – das war ein neues Vokabular.
Mein Vater, der neue Mann meiner Mutter, betätigte sich in einer zionistischen Organisation für die Vorbereitung von Jugendlichen. So bekamen wir die Möglichkeit, im Jahre 39 auszureisen.
-Mussten Sie einen Judenstern tragen?
Nein, nein, das war noch nicht so weit.
-Hatten Sie Freunde, die sich von Ihnen abgewandt haben?
Meine Mutter hatte nichtjüdische Freunde, mit denen sie sich auch in der Nazizeit getroffen hat, aber nicht mehr so oft. Ich kann aber nicht behaupten, dass sich jemand demonstrativ von uns abgewandt hat. Ehrlich gesagt hatte ich freundschaftliche Beziehungen mit der Verwandtschaft, mit dem Cousin, der etwas älter als ich war.
-Wie kann man sich eine sogenannte „Judenschule“ vorstellen?
Als ich zu meiner Großmutter zog, gab es da das Unterberg-Gymnasium neben dem Augarten. Am Anfang waren wir große allgemeine Klassen, nach dem Einmarsch der Nazis mussten wir in einer Klasse getrennt sitzen und dann gab es auch eine räumliche Trennung. Das heißt, einige Monate gab es eine eigene Schule für Juden im 9. Bezirk. Aber die wurde kaum mehr besucht, weil da hatte man andere Sorgen. Mich hat das auch nicht sehr tangiert, da wir mit einem Auge schon weg waren, deswegen war ich dort nur kurze Zeit.
-Haben Sie ein prägendes Erlebnis aus dieser Zeit?
Eigentlich nicht, weil als es hieß Abschied nehmen von der Familie, meinten wir, dass wir einander wieder treffen werden. Es sei nur eine Frage der Zeit und des Ortes! Das Besondere, als ich Wien verlassen musste war, dass es eine Zeit der großen Erwartungen war. Natürlich fiel es mir nicht leicht, aber in dem Alter mit 12 Jahren blickte ich nach vorne. Was erwartet mich am neuen Ort? Und die Reise selbst war ja auch gerade nicht uninteressant. Also, das war schon ein starkes Erlebnis.
-Was für eine Vorstellung hatten Sie von Palästina?
Dass es verdammt schwer sein wird, unterzukommen und ein Leben aufzubauen. Aber man war gewillt, alles zu unternehmen, um dort mitzumachen. Die Vorstellungen waren ziemlich vage, ziemlich unbestimmt. Einzelheiten waren unbekannt. Es gibt natürlich auch Araber, die einem das Leben schwer machen würden, aber das nahm man in Kauf.
-Wie war die Flucht nach Palästina?
Wir fuhren ja auf ganz legalem Weg, nicht auf Umwegen und auch nicht Hals über Kopf. Wir erhielten ein Einreisevisum aufgrund der Tätigkeit meines Vaters. Das war hochinteressant! Bis dahin habe ich so etwas noch nicht erlebt, ich war bestenfalls im Wienerwald oder Klosterneuburg. Dann fuhren wir nach Süditalien und dann mit einem italienischen Soldatentransporter der italienischen Armee, der gechartert wurde, weiter. Also, das war kein Luxusdampfer, aber wir kamen gut zurecht.
-Hat der Transport viel Geld gekostet?
Ich weiß es nicht. Das ist etwas, nach dem ich mich damals nicht erkundigt habe, und ich war einfach heilfroh, dass ich auf dem Schiff war. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall war es kein Luxusdampfer, man musste viel kotzen, man schlief in Kojen und es waren zirka 800 Personen am Schiff. Aber es brachte einen zum Ziel. Schon in Italien hat mir etwas imponiert, nämlich, da waren die neuen Gerüche – Gerüche des Meeres.
-Was war Ihr erster Eindruck von Palästina?
Orangen! Säcke mit Orangen. Man brachte uns in ein Übergangslager für Neuankömmlinge, und am Weg dorthin sah man Lastwagen voll mit Orangen. Es war die Zeit der „Orangenpflücke“. Auf jeden Fall war dieser Geruch von Orangen überall, ein Wahnsinn!
-Wie war es für Ihre Familie, sich in Palästina zu integrieren?
Es war schwer. Man versuchte erstmals an Leuten, die schon dort waren, anzuknüpfen, zum Beispiel die Schwester meines Vaters, die schon 34 nach Israel gegangen war. Die konnten uns nur mit Tipps und Hinweisen helfen, aber das war auch schon eine große Hilfe.
Dann haben wir uns eine Mietwohnung genommen. Mein Vater war bis 1934 in Wien bei der Polizei und irgendwie gelang es ihm dann, in Haifa bei einem Polizeihilfsdienst zu arbeiten. Sie hatten eine eigene Truppe und haben die Siedlungen bewacht. Die waren der britischen Polizei unterstellt. Es gab ja keinen Staat, es war sozusagen ein Staat im Staat. Er war bei der britischen Mandatsbehörde angestellt und die erteilte die Erlaubnis, eine Hilfstruppe aufzustellen. Er war ein paar Jahre bei denen, und für den Anfang genügte uns das. Zeitweise hat er bei dem Militär als Schneider gearbeitet. Kleines Gehalt, aber es genügte uns. Man aß viel Orangen, die man nicht in Packerln, sondern in großen Säcken kaufte (lacht!). So sind wir die erste Zeit durchgekommen. Nach und nach erlangte man Bekannte und etablierte sich.
Ich hatte das Glück, in eine allgemeine Schule gehen zu können, und die Sprache war eigentlich kein Problem. Es gab viele Neuankömmlinge, aber die waren nicht so viele, dass man nicht die Sprache erlernen konnte. Man musste sich anpassen und ich machte das alles sofort mit!
Ich finde, Israel ist eine interessante, tolle Gesellschaft. Aus aller Herrenländer ein Ding zu formen, mit all den Unterschieden, ist schon interessant. Langweilig kann es dort nicht werden.
Ich habe im Buchhandel gearbeitet. Zuerst habe ich ein Handwerk gelernt, ich war Autoelektriker. Dort habe ich in großen Werkstätten für die britische Armee bis zum Krieg 1946 in Palästina gearbeitet. In den Werkstätten war ein Begegnungspunkt für Juden und Araber. Dort hatte ich tolle Begegnungen. 1948 wurde ich für zweieinhalb Jahre zum Militär einberufen. 48’ wurde auch der Staat Israel ausgerufen. Da habe ich Minen ausgegraben und so blöde Sachen gemacht. Es gibt eine Einrichtung, die heißt Kibbuz, das sind kooperative Dörfer. Die Menschen leben dort auf kollektive Art und Weise, das heißt, es gibt einen Speisesaal, wo gekocht wird, einen Lehrraum, wo die Kinder unterrichtet werden und so weiter. Jetzt ist es schon in viel abgeschwächter Form vorhanden. Die hatten auch Kfz Werkstätten, da habe ich gearbeitet. Nach einiger Zeit hatte ich eine Verwundung beim Militär, beim Reservedienst, der ging auch manchmal auf ernste Konflikte über. Auf jeden Fall zog ich mir dort eine Verwundung am Arm zu und konnte nicht mehr in Kfz Werkstätten arbeiten.
Also sah ich mich nach einem neuen Betätigungsfeld um und entdeckte die Bücher. Also, ich war schon immer Buchfanatiker, das heißt, ich hatte besonders viel gelesen. Und ich fand eine Stelle bei einer Buchgesellschaft bis zu meiner Ausreise ´75.
-Wie sehen Sie die Entwicklung in Israel heute?
Die Entwicklung ist eine Hochentwicklung, aber dem Frieden sind sie in ganz kleinen, aber wirklich nur ganz kleinen Schritten entgegengekommen. Wenn dein bester Nachbar nicht will, kannst du dich auf den Kopf stellen. Du musst natürlich auch selber etwas dazu beitragen. Aber das ist wieder eine andere Sache.
-Wie, denken Sie, sollte meine bzw. die nächste Generation mit dem Holocaust umgehen?
Erst einmal sollte man diese Periode nicht als „es war einmal“ abtun, als wäre es in der fernen Vergangenheit irgendwann mal passiert. Es ist ja Vergangenheit, aber nicht so ferne Vergangenheit und es leben ja noch immer Menschen aus dieser Zeit. Es ist gut, dass daran erinnert wird und dessen besinnt, ABER…..ich setze auch immer ein „aber“ dazu. Aber man sollte sich auch im täglichen Leben dafür einsetzen, dass es sich nicht wieder in so eine Richtung bewegt. Zum Beispiel gegen rassistische Hetze, es gibt viele Gelegenheiten dafür, nicht nur gegen Juden. Oder jemanden in eine Ecke stellen wegen seiner Ausrichtung, Behinderung etc. Dann bewegt man sich wieder auf diese unselige Vergangenheit zurück. Die Vergangenheit ist noch nicht tot, das meine ich.
-Erleben Sie Antisemitismus?
Ich selbst, hier in Wien, kann ich nicht behaupten, dass ich solche Vorkommnisse erlebt habe. Möglich ist, dass ich mich nicht in solchen Kreisen bewegt habe, dass so etwas möglich wäre. Ich weiß, dass es solche Vorkommnisse gibt, es sind Schmierereien und physische Attacken. In Wien ist es ja so, dass es in abgeschwächter Form vorhanden ist. Aber es ist vorhanden. Keine Zweifel!
-Fahren Sie noch regelmäßig nach Israel?
Wenn es die Lage und mein physischer Zustand erlauben, dann ja! Mein Bruder lebt dort und auch andere Verwandte. Wir hatten auch eine Wohnung in Israel, aber die haben wir vor nicht allzu langer Zeit aufgegeben. Es ist eine schöne Stadt und ein schönes Land!
-Haben Sie eine Botschaft an junge Menschen?
Meine Botschaft wäre, nie zuzulassen, dass Menschen aufgrund ihrer Haar-, Augen-, Gesichts- Hautfarbe oder Herkunft separiert, deformiert und benachteiligt werden.
Konstantin Raftl (2012)
In the context of the Wahlpflichtfach Centropa we were asked to do an interview with a Holocaust-Survivor. I chose Hannah Fischer as my interview partner.
As soon as I got her phone number I contacted Misses Fischer; who lives in Vienna, and we met two weeks later at her house. I prepared myself for the “big day” and the closer that day was coming the more nervous I got.
I was really surprised when I saw her first. Misses Fischer looks like a youthful vivid person and her voice sounds so lively. She loves meeting her friends at her favourite ice-cream shop, going for walks every day no matter what the weather is like and teaching her housemaid German. She is absolutely the opposite of a 90 year old person.
While the interview she answered all my questions. She told me about her friendship with other Jewish children and her life in England after her escape from Nazi Germany. I had the impression that she still felt a bit sad and that the memories might have caused some pain. Now after the interview I know her whole life story.
Emilia Pühringer (2013)