Reise nach Sankt Petersburg Juni 2003

Sprach- und Kulturreise der 7B nach Sankt Petersburg von 31. Mai bis 13. Juni 2003.

Unterschiede

Der wahrscheinlich größte Unterschied zu Wien ist- wenig überraschend- die Sprache. Während wir in Helsinki wenigstens noch die Straßenschilder buchstabieren und uns über Wegweiser zum „Tennispalatsi“ amüsieren konnten, herrschte bei der Ankunft in St. Petersburg beim nicht-russischen Teil der Klasse vor allem eines: Ratlosigkeit. Zwar hatten wir uns vorher schon (die einen mehr, die anderen weniger) mit dem russischen Alphabet auseinandergesetzt, aber in der Praxis haperte es dann doch ein wenig- versuchen Sie einmal, sich zu merken, das H als N zu lesen und ein umgedrehtes N als I. Hört sich nicht so schwer an, kann einen aber bei Wörtern wie „Ingenieur“ kann schön aus dem Konzept bringen. Nach ein paar Tagen Russischunterricht war zwar dieses Problem mehr oder weniger beseitigt, aber unser Wortschatz sollte sich in den folgenden zwei Wochen nicht besonders vergrößern, was die Kommunikation in Russland, zumindest bei mir, auf folgende Wörter und Phrasen beschränkte: Guten Tag, Auf Wiedersehen, Guten Morgen, Guten Abend, Essen, Schlafen, wenig, viel und…Tee (in Gesprächen mit der Gastfamilie, zum Glück konnte der ältere Sohn Englisch.) beziehungsweise „Wie viel kostet das?“, die Zahlwörter von eins bis 1000 (mit einiger Mühe), „ja“, „nein“, „nein, danke“ und „teuer“ (beim Handeln mit Souvenirverkäufern).
Erschwert wurde das Ganze noch dadurch, dass in Russland sehr wenig Leute Englisch sprechen, wenn überhaupt, dann die jüngeren, was dazu führte, dass die russischen Muttersprachler aus unserer Klasse in Petersburg noch einen unbezahlten, anstrengenden und intensiven Nebenjob ausüben durften: Dolmetscher bzw. Mädchen für alles, das heißt Zigaretten kaufen, Essen kaufen, mit den Souvenirhändlern feilschen, die Gastfamilien darüber aufklären, dass Nudeln mit Butter, in einer reichlich gefetteten Pfanne gebraten und mit Butter garniert, für uns ein doch recht ungewöhnliches Frühstück darstellen, etc.
Und eben diese Nudeln bringen mich hastdunichtgesehen zu noch einem großen (oder vielleicht auch nicht) Unterschied zwischen Russland und Österreich. Wir wissen: Traditionelles österreichisches Essen lässt den Cholesterinspiegel vor Freude in die Höhe schnellen. Wir wissen auch: Der Österreicher trinkt gerne und viel Bier. Und ich weiß jetzt, nach zwei Wochen bei einer ganz normalen St. Petersburger Familie: Wir müssen auf dem Gebiet des Unterbringens von soviel Fett wie möglich in einer Hauptmahlzeit noch viel lernen. Und: Der Russe trinkt noch viel lieber und noch viel mehr Bier. Ich bitte das jetzt nicht auf unsere Gastfamilie zu beziehen, die hatte wahrhaftig Besseres zu tun als sich zu betrinken. Aber die zahllosen Flaschen, die am Morgen wirklich überall auf der Straße herumstehen, der nette junge Mann, der um neun Uhr am Morgen in der U-Bahn neben mir sein Bier mit den Zähnen zu öffnen wusste, und die vielen Betrunkenen, die auch schon (oder noch) am Morgen am Bier nuckeln, sprachen doch eine recht deutliche Sprache. Und zwar unter anderem die, dass das Leben in Russland doch um einiges härter ist als hier, was wir auch gleich am Morgen unserer Ankunft erfuhren. Das Erste, was ich von St. Petersburg um halb sechs in der Früh, nach einer siebenstündigen Busfahrt von Helsinki aus sah, war die Miliz, die sich wegen der anwesenden Staatsbesuche an den Einfahrten und Kreuzungen der Stadt mit Maschinenpistolen stationiert hatte. Auch eine Form der Begrüßung! Das Zweite, in den äußeren Bezirken, unzählige, hässliche Platten- und, je näher der Bus dem Zentrum kam, ebenso viele Prachtbauten.
Und das Dritte, nachdem wir von einer hektischen Angestellten der Sprachschule in zwei Kleinbusse verladen worden waren, “unser“ Haus, das von der Vertreterin der Sprachschule während der Busfahrt als „big beautiful building“ angepriesene Hochhaus nahe der Metrostation Primorskaja. Und da war es dann. Um sieben Uhr in der Früh. 23 Stockwerke hoch. Grau. Aus Beton. Auf Betonstelzen. Inmitten lauter anderer Wohnblöcke. Und potthässlich. Und wenn man in Wien von einem Aufzug erwarten darf, dass er solche Accessoires wie Lichtschranken, funktionierendes Licht und einen stabilen Boden besitzt, so trifft man in der Novosmolenskaja #6 auf Lifte mit Türen, die sich auch dann schließen, wenn sich kleine Hunde zwischen ihnen befinden, ohne Licht, aber dafür mit Bodenblechen, die sich eindrücken lassen, inklusive einem Spalt, durch den man, bei Bedarf, 23 Stockwerke in die Tiefe blicken kann…
Ich muss sagen, der Kulturschock war nach dieser Ankunft doch recht heftig, so etwas musste auch erst einmal verdaut werden, wir hatten uns doch ein etwas besseres Quartier vorgestellt. Und auch die Wohnungen, in denen wir die nächsten zwei Wochen hauptsächlich schlafen sollten (wir waren nie vor acht Uhr abends aufgrund wirklich intensiver Stadtbesichtigungen zuhause), zeigten, dass es uns im „Westen“ doch ein ganzes Stück besser geht und dass ein erheblicher Unterschied im Lebensstil der Mittelklasse dort und hier besteht.
Auch wurde mir schnell klar, dass in St. Petersburg alles irgendwie extremer ist als in Wien, im Guten wie im Schlechten. Auf der einen Seite haben die Leute viel weniger Geld, kleinere Wohnungen, schlechtere Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten und so weiter – all das Schlechte, was man normalerweise über Russland hört. Auf der anderen Seite ist das Zentrum der Stadt kulturell sehr beeindruckend, es reihen sich die Kirchen, Museen, „Puschkinhäuser“ und sonstige Bauten nur so aneinander – und die Anlagen außerhalb der Stadt, wie Peterhof oder Puschkin (mit dem Bernsteinzimmer), sind überhaupt eine Ausnahmeerscheinung, etwas damit Vergleichbares habe zumindest ich noch nicht gesehen.
Und ich glaube, dass auch dadurch diese zwei Wochen eine ziemlich wertvolle Erfahrung waren, durch das Erleben dieser extremen Unterschiede zwischen dem „offiziellen“ St. Petersburg Putins und dem Teil der Stadt, in dem ein Großteil der Einwohner lebt und der auch dementsprechend aussieht – in dem dafür das Leben aber auch eine andere, meiner Meinung nach höhere Intensität hat. Und wo die Menschen eine in vielen Dingen lockerere Sicht der Dinge haben, ich hatte im Umgang mit meiner Gastfamilie eigentlich nie Probleme- einmal abgesehen von der Kommunikation.
Was als Letztes noch zu erwähnen bleibt, ist die ganz spezielle Stimmung zur Zeit der „Wei-ßen Nächte“ – alleine dafür hat sich meiner Meinung nach die Reise gelohnt und ich würde auch sehr gerne wieder hinfahren. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Reise eigentlich sehr unkompliziert verlief: Dafür, dass wir in einem Land waren, dessen Sprache die Hälfte der Klasse nicht mächtig war, war eigentlich alles sehr einfach- keine Spur vom Schreckgespenst des Kommunismus.

(Andreas Schmallegger)

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Tagebuchsplitter

1. Tag: Samstag, 31. Mai
Die Finnen scheinen freundlich zu sein. (Felix Böhme)

2. Tag: Sonntag, 1. Juni
Ur hässliches Haus auf riesigen Stelzen, irrsinnig hoch, total heruntergekommen….Auch in den Gängen ziemlich grausig und stinkig. Die Wohnung ist ganz okay, das Zimmer ist super…passt eigentlich (bis auf die Dusche- Frage: Wie soll ich da Haare waschen?).Die Frau, bei der wir wohnen, schaut sehr nett aus, nur können wir leider mit ihr nicht kommunizieren, da sie praktisch nur Russisch spricht. Sie hat zwar zwei Töchter (von denen wir erst eine, Olga, kennen gelernt haben), die aber nicht besonders erfreut scheinen, wenn sie dauernd auf Englisch übersetzen sollen. Zuerst ist es urschlimm, weil man einfach in einer komplett anderen Welt ist: allein die Straßen und Häuser, wie die Menschen wohnen, die alten Frauen, die neben der Straße Gemüse verkaufen, die Minigeschäfte (bzw. Kioske), wo man denkt, der Verkäufer stirbt an Platzangst, Zigaretten um 14 Rubel oder noch billiger (das sind nicht einmal 50 Cent)… Olga hat mich gleich gefragt, wie’s mir gefällt und dass sie gern hätte, dass es uns taugt…aber man braucht Zeit, das alles ein bissl zu verdauen, weil sich das Leben hier so von unserem in Österreich unterscheidet… Anfangs dachte ich: „Wann komme ich wieder nach Hause“, aber Herr Rehling hat Recht: Man ist in einer ganz anderen Welt und sollte alle diese neuen spannenden Eindrücke genießen. (Inanna Reinsperger)

3. Tag: Montag, 2. Juni
Schule ziemlich schwer und viel zu lang. Ich kapier nix. Zumindest das Essen ist gut. Wieder auf den Nevskij. Das mit den kleinen Kanälen durch die Stadt ist toll. Kappe gekauft. Das Feilschen macht extrem Spaß. Am Abend Runde zum Strand. Im Osten baut man scheinbar alles aus Beton. Alles in der Gegend arg verwahrlost. Hoffentlich werden die Fotos schön.
(Felix Böhme)

4. Tag: Dienstag, 3. Juni
Dann kamen wir zur Aurora (ich dachte eigentlich, dass es ein Denkmal für irgendeine Frau / Fürstin / Zarin ist). Felix hat uns etwas über das Schiff erzählt und später sahen wir echte Matrosen aus der Akademie herausgehen! (Olga Schelest)

5. Tag: Mittwoch, 4. Juni
Toller Ausflug nach Peterhof. S-Bahn ganz anders als in Wien, Spur wesentlich breiter. Leute verkaufen was im Waggon. Peterhof großartig, überall Springbrunnen. Hoffentlich gibt’s da tolle Fotos. Reise zurück in ganz kleinem Bus. Blini mit Kaviar im Restaurant gegessen. Gut und nicht zu teuer. Bedienung schlecht. Essen zu Hause wieder gut. (Felix Böhme)

6. Tag: Donnerstag, 5. Juni
Die Eremitage!! Ein wunderbares Museum. Ich glaube, dass man in keinem anderen Land der Welt so nahe an so wertvolle Kunstwerke herankommt wie in Russland. Anscheinend sind die Menschen dort zivilisierter und greifen nicht alles an. Leider hatten wir nur eineinhalb Stunden Zeit alles zu besichtigen. Ich hätte mindestens das Doppelte gebraucht. An diesem Tag unternahmen wir auch noch eine kleine Tour an der Neva entlang (zu Fuß) und besichtigten das Denkmal Peters des Großen und die Isaak Kathedrale. Besonders gefiel mir der Trompeter, welcher mir die Internationale vorspielte. (Adam Markus)

6. Tag: Donnerstag, 5. Juni
Langsam läuft’s in der Schule. (Felix Böhme)

7. Tag: Freitag, 6. Juni
Heute ist ein großer Feiertag: Geburtstag von Puschkin, Felix’ Papa, Markos Mama und goldene Hochzeit von Andreas’ Großeltern! (Inanna Reinsperger)

8. Tag: Samstag, 7. Juni
Nach Пушкин – Puschkin (Katharinen-Palast), wieder mit der электричка. Sind dort ca. um 12 Uhr angekommen. Das war wie in einer anderen Welt. (Olga Schelest)

9. Tag: Sonntag, 8. Juni
Wir durften länger ausschlafen! Bis 2 Uhr!! Spaziergang auf dem Невский und Bootsfahrt auf der Нева. Danach besichtigten wir meine Lieblingskirche (Erlöserkirche) – Спас на крови. ENTSPANNEND! (Olga Schelest)

12. Tag: Mittwoch, 11. Juni
23:30 Treffpunkt – auf zu den Brücken: mit der Metro zur Fußgängerzone, längerer Fußmarsch zur Schlossbrücke – es ist schon toll, wenn eine sechsspurige Straße einfach in der Mitte aufgeht! Nach zwei Referaten haben wir drei Flaschen жампанское (Zensur!) geleert. Nach Hause sind wir mit dem „Taxi“ gefahren (50 Rubel pro Auto). War ein sehr schöner und netter Abend! (Gunda Weiss)

14. Tag: Freitag, 13. Juni
Eigentlich war alles gut, nur ein bisschen anstrengend!

(Adam Markus)

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